
Achtsamkeits-Übungen
Bei manchen von uns ist eine Stimme im Kopf, die sagt: „20 oder 30 Minuten Daheim meditieren, dafür habe ich keine Zeit“. Nun gibt es ja viele Achtsamkeitsübungen. Die – mehr oder weniger – ausgedehnte Sitzmeditation ist eine davon. Manchen gelingt es nicht, diese in ihren Alltag zu integrieren. Eine Übung für die wir nur wenig Zeit benötigen, ist die Folgende . . . .
DREI ATEMZÜGE
Gönne deinem Geist so oft wie möglich am Tag eine kurze Ruhepause. Bitte die inneren Stimmen, für die Dauer von drei Atemzügen zu schweigen. Es ist so, als schaltest du für wenige Minuten das innere Radio oder den inneren Fernsehapparat ab. Öffne dann alle deine Sinne, um einfach nur gewahr zu sein - der Farben, Klänge, Berührungen, Düfte, . . . .
Als Gedächtnisstütze kannst du einen Sticker mit der Ziffer 3 auf die Dinge in deiner Umgebung kleben. Du könntest auch die Zeichnung einer Person – mit einer leeren Sprechblase über dem Kopf – aufhängen. Vielleicht hilft es dir auch, einen Wecker oder dein Handy so einzustellen, dass sie im Laufe des Tages in unregelmäßigen Abständen klingeln.
Jan Chozen Bays (2011)
AUTOFAHREN
Eine meiner liebsten Übungen ist das, was ich „Metta im Vorbeifahren" nenne. (Metta ist ein Sanskrit-Wort das „Liebende Güte" oder „Bedingungslose Freundlichkeit" bedeutet.) Während ich zur Arbeit fahre, sage ich für jeden, an dem ich auf der Straße vorbeifahre - Fußgänger, Radfahrer und besonders rücksichtslose Fahrer, die es eilig haben - mit dem Ausatmen still vor mich hin: „Mögest du frei von Angst sein. Möge es dir wohl ergehen." Ich weiß nicht, ob diese geheime Übung diesen Menschen nützt, aber mir hilft sie ganz bestimmt. Die Tage, an denen ich Metta im Vorüberfahren übe, verlaufen stets glatter als die anderen.
Jan Chozen Bays (2011)
GEHEN
Die formale Gehmeditation ist eine Möglichkeit, Achtsamkeit zu üben. Da wir jeden Tag irgendwohin gehen, können wir diese Übung gut im Alltag praktizieren. Dann können wir sie so praktizieren, dass wir von unserer Umgebung nicht als Sonderlinge wahrgenommen werden. Zum Beispiel: Wir fahren fünf Minuten früher zur Arbeit, parken unser Auto dort und gehen dann etwas langsamer als üblich zum Büro. Dabei achten wir auf unsere Schritte, auf die Menschen, die uns begegnen, auf die Geräusche, die Gerüche, die Farben, Temperatur, usw. Wir heißen alles willkommen und schenken jedem Phänomen ein Lächeln.
Oder beim Spazierengehen: Wir verabreden mit denjenigen, mit denen wir unterwegs sind, eine zeitlang (z.B. 20 Min.) schweigend zu gehen und unser Tempo etwas zu verlangsamen. Dabei öffnen wir alle Sinneseindrücke und nehmen jede Erscheinung bewusst wahr.
ESSEN
Es ist eine wesentliche Übung, die Mahlzeiten mit Achtsamkeit einzunehmen. Wir schalten das Radio aus, legen die Zeitung beiseite. Wir setzen uns aufrecht an den Tisch (der gerade Rücken stärkt die Muskulatur dort), nehmen einige bewusste Atemzüge und wir können völlig zu uns finden. Dann schauen wir alle Anwesenden an, um mit uns selbst u. den Menschen am Tisch in Fühlung zu sein.
Wir blicken das Essen auf eine Weise an, die es wirklich werden lässt. Das Essen offenbart unsere Verbindung mit der Erde. Jeder Bissen enthält das Leben der Sonne und der Erde. In einem Stück Brot können wir das ganze Universum sehen und schmecken! Wir betrachten unsere Mahlzeit vor dem Essen ein paar Sekunden und verspeisen sie dann mit Achtsamkeit. Dies bedeutet, du nimmst dir etwas mehr Zeit zum Kauen jedes Bissens, vielleicht doppelt so lang. Wenn wir das Essen im Schweigen einnehmen, fällt es uns leichter, dies bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Falls es schwierig ist, die Mahlzeit in der Gemeinschaft über die gesamte Zeit schweigend einzunehmen, kannst du mit den Anwesenden verabreden, eine bestimmte Zeit zu schweigen (vielleicht 10 oder 20 Min.).
(frei nach Thich Nhat Hanh)
ABSPÜLEN
Meiner Ansicht nach kann die Vorstellung, Geschirrspülen sei unangenehm, eigentlich nur auftreten, wenn du den Abwasch stehen lässt. Sobald du an der Spüle stehst, die Ärmel hochkrempelst und die Hände ins warme Wasser tauchst, ist es eigentlich ganz angenehm. Es macht mir Spaß, mir mit jedem Geschirrstück Zeit zu lassen, wobei mir das Geschirr, das Wasser und alle Bewegungen meiner Hände ganz bewusst sind. Ich weiß, wenn ich mich beeile, um mich so bald wie möglich auf den Nachtisch zu stürzen, wird die Zeit des Geschirrspülens unangenehm und ist nicht wert, gelebt zu werden. Das wäre schade, da jede Minute, jede Sekunde des Lebens ein Wunder ist! Das Geschirr und die Tatsache, dass ich hier stehe und es abwasche, sind Wunder!
Wenn ich nicht fähig bin, das Geschirr voller Freude abzuwaschen, wenn ich rasch fertig sein will, damit ich mir den Nachtisch einverleiben kann, werde ich ebenso unfähig sein, meinen Nachtisch zu genießen. Mit der Gabel in der Hand werde ich darüber nachdenken, was ich als nächstes tun soll, und Beschaffenheit und Geschmack des Nachtisches würden mir entgehen, und mit ihnen die Freude, ihn aufzuspeisen. Ich werde stets in die Zukunft gezogen werden und nie in der Lage sein, im gegenwärtigen Moment zu leben.
Im Sonnenschein der Bewusstheit werden jeder Gedanke, jedes Tun heilig. In diesem Licht existiert keine Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Ich muss zugeben, dass ich mit dem Abspülen ein bisschen länger brauche, aber ich lebe voll in jedem Moment und bin glücklich. Abzuwaschen ist zugleich Mittel und Zweck - das heißt, wir spülen das Geschirr nicht bloß, um sauberes Geschirr zu haben, sondern wir spülen ab, um abzuspülen, um während des Abwaschens voll in jedem Augenblick zu leben.
Thich Nhat Hanh (1992). Ich pflanze ein Lächeln
GERÄUSCHE HÖREN
Diese Übung lässt sich überall durchführen, den ganzen Tag über und in jeder Lebenslage: sitzend, stehend, liegend, allein oder in einer riesigen Menschenmenge. Man sieht dir nämlich von außen nicht an, dass du übst! Daher kannst du absolut überall üben - bei der Besprechung im Büro, in der U-Bahn, zu Hause beim Abendbrot ... Niemand wird es merken. Das unterscheidet diese Übung von der traditionellen.
Die Übung geht so: Wo auch immer du dich gerade befindest, mache dir die Geräusche deiner Umgebung bewusst. Richte deine Aufmerksamkeit zuerst auf die Geräusche in der Nähe, dann auf die in der Ferne. Nehme dir Zeit, um von einem Raum zum anderen überzugehen, vom Vordergrund in den Hintergrund. Dann nehme bewusst wahr, welche Frequenz diese Geräusche haben: hoch, tief, mittel. Versuche, alle Töne zu unterscheiden: das tiefe Brummen der Stadt, die Züge, die in der Ferne vorüberfahren, das Quietschen der Bremsen, den Wind in den Bäumen, das Rauschen der Autowaschanlage, die Geräuschfetzen, die an dein Ohr dringen ... Das Geheimnis dabei ist, dass du alle Töne auf dich wirken lässt und in dich aufnimmst.
Nach einigen Minuten stellt sich vermutlich die Frage: Wo liegt die Grenze zwischen Innen und Außen? Wo ist der Ton noch außerhalb meines Ohrs, wo ist er schon in meinen Körper eingedrungen? Das ist eine schwierige Frage, aber letztlich scheint diese Grenze sich irgendwann aufzulösen: Wir spüren weder außen noch innen. Die Geräusche, die Welt und das „Ich“ sind eng miteinander verwoben. Wir haben unser Klangfeld geöffnet, und das tut uns gut!
Kankyo Tannier (2018). Stille
DREI ATEMZÜGE
Gönne deinem Geist so oft wie möglich am Tag eine kurze Ruhepause. Bitte die inneren Stimmen, für die Dauer von drei Atemzügen zu schweigen. Es ist so, als schaltest du für wenige Minuten das innere Radio oder den inneren Fernsehapparat ab. Öffne dann alle deine Sinne, um einfach nur gewahr zu sein - der Farben, Klänge, Berührungen, Düfte, . . . .
Als Gedächtnisstütze kannst du einen Sticker mit der Ziffer 3 auf die Dinge in deiner Umgebung kleben. Du könntest auch die Zeichnung einer Person – mit einer leeren Sprechblase über dem Kopf – aufhängen. Vielleicht hilft es dir auch, einen Wecker oder dein Handy so einzustellen, dass sie im Laufe des Tages in unregelmäßigen Abständen klingeln.
Jan Chozen Bays (2011)
AUTOFAHREN
Eine meiner liebsten Übungen ist das, was ich „Metta im Vorbeifahren" nenne. (Metta ist ein Sanskrit-Wort das „Liebende Güte" oder „Bedingungslose Freundlichkeit" bedeutet.) Während ich zur Arbeit fahre, sage ich für jeden, an dem ich auf der Straße vorbeifahre - Fußgänger, Radfahrer und besonders rücksichtslose Fahrer, die es eilig haben - mit dem Ausatmen still vor mich hin: „Mögest du frei von Angst sein. Möge es dir wohl ergehen." Ich weiß nicht, ob diese geheime Übung diesen Menschen nützt, aber mir hilft sie ganz bestimmt. Die Tage, an denen ich Metta im Vorüberfahren übe, verlaufen stets glatter als die anderen.
Jan Chozen Bays (2011)
GEHEN
Die formale Gehmeditation ist eine Möglichkeit, Achtsamkeit zu üben. Da wir jeden Tag irgendwohin gehen, können wir diese Übung gut im Alltag praktizieren. Dann können wir sie so praktizieren, dass wir von unserer Umgebung nicht als Sonderlinge wahrgenommen werden. Zum Beispiel: Wir fahren fünf Minuten früher zur Arbeit, parken unser Auto dort und gehen dann etwas langsamer als üblich zum Büro. Dabei achten wir auf unsere Schritte, auf die Menschen, die uns begegnen, auf die Geräusche, die Gerüche, die Farben, Temperatur, usw. Wir heißen alles willkommen und schenken jedem Phänomen ein Lächeln.
Oder beim Spazierengehen: Wir verabreden mit denjenigen, mit denen wir unterwegs sind, eine zeitlang (z.B. 20 Min.) schweigend zu gehen und unser Tempo etwas zu verlangsamen. Dabei öffnen wir alle Sinneseindrücke und nehmen jede Erscheinung bewusst wahr.
ESSEN
Es ist eine wesentliche Übung, die Mahlzeiten mit Achtsamkeit einzunehmen. Wir schalten das Radio aus, legen die Zeitung beiseite. Wir setzen uns aufrecht an den Tisch (der gerade Rücken stärkt die Muskulatur dort), nehmen einige bewusste Atemzüge und wir können völlig zu uns finden. Dann schauen wir alle Anwesenden an, um mit uns selbst u. den Menschen am Tisch in Fühlung zu sein.
Wir blicken das Essen auf eine Weise an, die es wirklich werden lässt. Das Essen offenbart unsere Verbindung mit der Erde. Jeder Bissen enthält das Leben der Sonne und der Erde. In einem Stück Brot können wir das ganze Universum sehen und schmecken! Wir betrachten unsere Mahlzeit vor dem Essen ein paar Sekunden und verspeisen sie dann mit Achtsamkeit. Dies bedeutet, du nimmst dir etwas mehr Zeit zum Kauen jedes Bissens, vielleicht doppelt so lang. Wenn wir das Essen im Schweigen einnehmen, fällt es uns leichter, dies bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Falls es schwierig ist, die Mahlzeit in der Gemeinschaft über die gesamte Zeit schweigend einzunehmen, kannst du mit den Anwesenden verabreden, eine bestimmte Zeit zu schweigen (vielleicht 10 oder 20 Min.).
(frei nach Thich Nhat Hanh)
ABSPÜLEN
Meiner Ansicht nach kann die Vorstellung, Geschirrspülen sei unangenehm, eigentlich nur auftreten, wenn du den Abwasch stehen lässt. Sobald du an der Spüle stehst, die Ärmel hochkrempelst und die Hände ins warme Wasser tauchst, ist es eigentlich ganz angenehm. Es macht mir Spaß, mir mit jedem Geschirrstück Zeit zu lassen, wobei mir das Geschirr, das Wasser und alle Bewegungen meiner Hände ganz bewusst sind. Ich weiß, wenn ich mich beeile, um mich so bald wie möglich auf den Nachtisch zu stürzen, wird die Zeit des Geschirrspülens unangenehm und ist nicht wert, gelebt zu werden. Das wäre schade, da jede Minute, jede Sekunde des Lebens ein Wunder ist! Das Geschirr und die Tatsache, dass ich hier stehe und es abwasche, sind Wunder!
Wenn ich nicht fähig bin, das Geschirr voller Freude abzuwaschen, wenn ich rasch fertig sein will, damit ich mir den Nachtisch einverleiben kann, werde ich ebenso unfähig sein, meinen Nachtisch zu genießen. Mit der Gabel in der Hand werde ich darüber nachdenken, was ich als nächstes tun soll, und Beschaffenheit und Geschmack des Nachtisches würden mir entgehen, und mit ihnen die Freude, ihn aufzuspeisen. Ich werde stets in die Zukunft gezogen werden und nie in der Lage sein, im gegenwärtigen Moment zu leben.
Im Sonnenschein der Bewusstheit werden jeder Gedanke, jedes Tun heilig. In diesem Licht existiert keine Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Ich muss zugeben, dass ich mit dem Abspülen ein bisschen länger brauche, aber ich lebe voll in jedem Moment und bin glücklich. Abzuwaschen ist zugleich Mittel und Zweck - das heißt, wir spülen das Geschirr nicht bloß, um sauberes Geschirr zu haben, sondern wir spülen ab, um abzuspülen, um während des Abwaschens voll in jedem Augenblick zu leben.
Thich Nhat Hanh (1992). Ich pflanze ein Lächeln
GERÄUSCHE HÖREN
Diese Übung lässt sich überall durchführen, den ganzen Tag über und in jeder Lebenslage: sitzend, stehend, liegend, allein oder in einer riesigen Menschenmenge. Man sieht dir nämlich von außen nicht an, dass du übst! Daher kannst du absolut überall üben - bei der Besprechung im Büro, in der U-Bahn, zu Hause beim Abendbrot ... Niemand wird es merken. Das unterscheidet diese Übung von der traditionellen.
Die Übung geht so: Wo auch immer du dich gerade befindest, mache dir die Geräusche deiner Umgebung bewusst. Richte deine Aufmerksamkeit zuerst auf die Geräusche in der Nähe, dann auf die in der Ferne. Nehme dir Zeit, um von einem Raum zum anderen überzugehen, vom Vordergrund in den Hintergrund. Dann nehme bewusst wahr, welche Frequenz diese Geräusche haben: hoch, tief, mittel. Versuche, alle Töne zu unterscheiden: das tiefe Brummen der Stadt, die Züge, die in der Ferne vorüberfahren, das Quietschen der Bremsen, den Wind in den Bäumen, das Rauschen der Autowaschanlage, die Geräuschfetzen, die an dein Ohr dringen ... Das Geheimnis dabei ist, dass du alle Töne auf dich wirken lässt und in dich aufnimmst.
Nach einigen Minuten stellt sich vermutlich die Frage: Wo liegt die Grenze zwischen Innen und Außen? Wo ist der Ton noch außerhalb meines Ohrs, wo ist er schon in meinen Körper eingedrungen? Das ist eine schwierige Frage, aber letztlich scheint diese Grenze sich irgendwann aufzulösen: Wir spüren weder außen noch innen. Die Geräusche, die Welt und das „Ich“ sind eng miteinander verwoben. Wir haben unser Klangfeld geöffnet, und das tut uns gut!
Kankyo Tannier (2018). Stille